Gestern haben Micha und ich spontan beschlossen, morgen fahren wir für ein paar Tage ans Meer.
Geplant hatten wir das schon während meiner Therapie. Wir wollten direkt danach ans Meer. Doch das ging gesundheitlich überhaupt nicht. Es wäre auch viel zu warm und viel zu sonnig gewesen für mich. Zumal ja gerade nach der Therapie mein Leben als „Vampir“ begonnen hat….😉
Außerdem haben wir gelernt, in dieser Situation ist gar nichts planbar! Und somit haben wir es auf unbestimmte Zeit verschoben. In der letzten Woche war leider auch kein guter Zeitpunkt.
Jetzt aber geht es aufwärts. Und ich freue mich schon sehr. Morgen geht es los. Wir sind über Pfingsten am geliebten Meer. 🤗
Als ich das am Nachmittag, des 07.06. schrieb, ging es mir super. Doch am Abend hatte ich Schüttelfrost und furchtbar müde Augen. Ich hatte da schon so eine Vermutung…..Fieber 🙄 – stimmte auch, nämlich 38,3 °C. Micha meinte besorgt: „Dann bleiben wir besser Zuhause.“ Aber ich widersprach ihm. Auf keinen Fall wollte ich nun wieder verschieben….und schon gar nicht wegen ein bisschen Fieber!
Am nächsten Morgen waren die Kopfschmerzen, die mich hoffentlich nur wetterbedingt seit nunmehr schon 3 Tagen begleiten, wieder da. Da Micha diese auch hat, stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt. Und er sagt, nach seiner Therapie damals war er auch extrem wetterfühlig. Dafür ist die Temperatur heruntergegangen. Ich denke, mit 37,7 °C bin ich gut bedient.
Wir sind nun also endlich unterwegs. Dass sich an diesem Pfingstwochenende die Sonne lt. Wetterbericht vermutlich nicht zeigen wird, kann mir ja nur recht sein. 😉
Mein Mann ist einfach „unbezahlbar“. Das muss ich immer wieder feststellen! Heute morgen fragte ich ihn, ob ich mit meinem Venenkissen für die lange Autofahrt nicht besser nach hinten auf die Rückbank auswandern sollte. Meiner Vorstellung nach hätte ich diese quer benutzt. Und was macht mein guter Mann?
Das ist einfach genial! Und natürlich auch viel sicherer….
In Outdorp/Südholland angekommen schmeckte mir der erste Kibbeling gleich am Mittag. Da ich mich an Aal im Brötchen nicht herantraute und mich andere Fischsorten im Augenblick nicht anlachten, schmeckte am Abend auch die 2. Portion Kibbeling. Allerdings war es am ersten Tag so windstark, dass dieser mir, in einem von mir unbedachten Moment, die Plastikschale mit dem, wie sich später herausstellte, leckersten Kibbeling von 4 Fischständen, voll auf meine rot glänzende Wellensteynjacke wehte. Besonders die leckere weiße Kräuterremoulade ergab ein gutes Layout. Es sah aus, als hätte mich eine Möwe „just in flight“ erwischt….🙄
Zunächst aber sind wir erstmal ab in die erste Strandbar. Wir setzten uns nach draußen und mussten leider feststellen, dass es durch den Wind (obwohl die Terasse per Glaswand „windgeschützt“ war) doch ein wenig kühl und ungemütlich war. Kaum äußerten wir beide den gleichen Gedanken, fing es auch schon an zu regnen, so dass wir eh reingehen mussten. Wir ergatterten noch einen guten Platz und ich war sehr froh, dass die Hunde innerhalb des gesamten Restaurants an die Leine genommen werden mussten. Für unsere inzwischen verstorbene Berta hätte ich das damals als unmöglich empfunden. In Nordholland war das doch anders. Doch leider wäre es mir super schwer gefallen, wenn ein Hund auf mich zukäme, ihn nicht zu streicheln oder knuddeln, sofern er damit einverstanden wäre. Durch die Immuntherapie darf ich nicht mit Tierhaaren aller Art in Berührung kommen. Darum darf ich im Augenblick auch meine 2. Heimat, mein Büro nicht besuchen. Dort sind bekanntlich immer Hunde und vor allem unser geliebter Bürohund Cookie, den ich neben sehr vielen Menschen (und einem Menschen ganz besonders; gelle, Pia) unglaublich vermisse.
Das Meer „trug“ Ebbe und es war momentan recht weit weg. Natürlich wollte ich unbedingt mit den Füßen durch den Sand laufen und ins Wasser. Ich hatte kaum die nacktenFüße im Sand, da mussten wir leider feststellen, dass uns der trockene Sand bis ins Gesicht peitschte. Sonnig wurde es auch. Da hätte ich selbst keinen Regenschirm, geschweige denn Sonnenhut mehr festhalten können, zumal der Schirm des selbigen sowieso voll hochgeklappt wäre. Es half nur, sich die Kapuze soweit wie möglich in die Stirn zu ziehen. Leider war mein Gesicht noch nicht mit Sonnencreme in Berührung gekommen.
Auf dem Weg zum Auto wurde man mit jedem Windstoß mit vollster Wucht weitergeschoben. Mit jeder Böe, die ich in den Rücken bekam und die mich beim Laufen „unterstützte“, musste ich einfach lachen. Das war einfach zu komisch.
Wir fuhren zum nahegelegenen Hotel und checkten ein.
Danach ging es über Land weiter, um Ortschaft für Ortschaft zu entdecken. Für mich war das Maß an Bewegung eine echte Herausforderung. Ich, die ich seit Anfang März d. J. durchschnittlich nie mehr als 1.000 bis 2.000 Schritte am Tag schaffte (in Verbindung mit dem super niedrigen HB-Wert) und die nun am Samstag 6.800 Schritte, Sonntag 11.250 Schritte und am Montag (Tag der Abreise) schleppend, aber immerhin noch 4.400 Schritte zurücklegte. Micha hatte es dagegen auch nicht leicht, denn früher hatte ich einen viel schnelleren Schritt drauf. Und das langsame „Daherkriechen“ kann sehr anstrengend sein für einen gesunden Menschen. Außerdem musste er mich stets verarzten,jeweils morgens und abends je eine Thrombose-Spritze, meinen Rücken mit der Spezialsalbe eincremen (zum Glück geht der juckende Ausschlag, der nun zu guter letzt über den gesamten Rücken gewandert ist, allmählich weg, Narbe unter der linken Achsel (Lymphentnahme und Biopsie) mit Spezialsalbe und Pflasterkonstruktion versorgen. Urlaub wie sonst war es für uns natürlich nicht. Zumal mich abends immer wieder das Fieber einholte. Morgens war es aber wieder weg.
Am zweiten Tag schien wieder die Sonne und ich schmierte mein Gesicht mit LSF 50 ein. Besonders die Nase, denn darauf befindet sich vermutlich schon eine kleinere Stelle, die sich als weißer Hautkrebs entlarvte. Meine Vermutung wurde von der Hautärztin in der Uniklinik mit einem „möglich“ bestätigt… Allerdings habe das nichts mit der ursprünglichen Krebsgeschichte zu tun, denn weißer Hautkrebs bilde keine Metastasen. Sehr beruhigend 😉
Das Meer war heute viel ruhiger und der Sand blieb am Boden. Es war im Gegensatz zum ersten Tag geradezu windstill. Herrlich, mit nackten Füßen durch den Sand zu gehen und ins kalte Meer. Letzteres kühlte meine mit Ödemen belasteten Füße genüsslich. Allerdings habe ich nicht bedacht, dass ich auf einem muschelreichen Sandstrand entlang ging und es fatal wäre, mir jetzt noch an einer schlecht platzierten scharfkantigen Muschelschale die Füße aufzuschneiden, denn durch die doppelte Tagesdröhnung Thrombose-Spritzen (Blutverdünnung), gerinnt mein Blut im Augenblick weniger schnell als normal. Aber was ist bei mir schon noch „normal“?
Wir liefen ziemlich weit bis zur übernächsten Strandbar, die recht gemütlich aussah und im Gegensatz zur ersten, auch über eine große Terasse verfügte, auf der es leider viel zu wenig Schattenplätze gab. Freie Tische musste man eh suchen und wir bekamen den augenblicklich letzten direkt an der Glasscheibe, somit saßen wir zwar windgeschützt, dafür aber auch in der Sonne. Gut, Micha soll ja auch etwas von seinem Urlaub haben. Er liebt die Sonne. Ich habe ja inzwischen so meine Mittelchen dagegen. Und als wir mich zurechtgeschoben haben, Micha saß mir diagonal gegenüber, damit ich den Stuhl mir gegenüber als Beinablage nutzen konnte. Wegen der Wassereinlagerung, die nur im Urlaub und kurzzeitig auch mal Zuhause, als es ganz warm war, vorkam, muss ich bei jeder mir bietender Gelegenheit die Beine hochlegen…. – Natürlich hatte ich mein Venenkissen jetzt nicht dabei, gewisse Einschränkungen musste auch ich in Kauf nehmen. 😁
Nun, wie wir mich also zurechtgerückt haben, zögerte ich nicht lange, denn auch mir wurde warm in der Sonne und legte Jacke und Halstuch ab, und holte als Einzige (vielleicht sollte ich darauf ein Patent anmelden…?!) auf der mit zahlreichen Menschen bestückten großen Terrasse ungeniert meinen Regenschirm heraus und spannte ihn auf. Natürlich – promt, das bin ich mittlerweile schon gewohnt, drehten sich die Leute an den benachbarten Tischen zu mir um, einer schubste sichtbar den anderen an, einige lachten amüsiert. Wahrscheinlich lief es im hinteren Teil ausserhalb meines Sichtfeldes ähnlich ab, aber ich verdrehte mir deswegen nicht den Kopf. Ich bin der Meinung, ob Regen- oder Sonnenschirm, Hauptsache Schirm, der mich vor ungeahnten Folgen schützt. Sollen sie doch lachen oder komisch gucken. Vielleicht sitzt im kommenden Jahr schon die Hälfte dieser Urlauber mit ihren Regenschirmen in den tollsten Farben auf dieser Terrasse. 😉
Wir hatten jedenfalls einen sehr schönen Tag am Meer!
Abends merkte ich Fieber aufkommen und spätestens nach 10.000 Schritten schleppte ich mich nur noch irgendwie weiter und war froh, 1.100 Schritte später, endlich am Auto angekommen zu sein. Zum Glück war es am nächsten Morgen wieder verschwunden.
Am dritten und letzten Tag haben wir noch einen kleinen Abstecher nach Hoek van Holland gemacht, dort wo der Rhein in die Nordsee fließt.
Hier fröstelte ich schon gegen Mittag, der Strand war schön, es wehte ein leichter Wind, der für Micha sehr angenehm war. Der Kleidung nach zu urteilen, fühlten die meisten Menschen an diesem Strand ähnlich, sie liefen in luftigem T-Shirt und Shorts oder Sommerkleidern durch den Sand. Komisch, ich fühlte anders. Mir war richtig kalt und der Wind war für mich frostig, nicht erfrischend. Wir sind den Strand bis zur Stelle gelaufen, an der man den Zufluss des Rheins ins Meer gut sehen konnte. Das schaut nicht wirklich spektakulär aus. Aber, gesehen, ist gesehen.
Dann liefen wir zu den aneinander angrenzenden Strandbars zurück und nahmen eine mit ganz bequemer Sitzmöglichkeit. Eine gepolsterte Couch mit vielen Kissen. Perfekt zum Hochlegen der Beine. Und nicht nur in der Strandbar, nein, das ist mir am ganzen Strand aufgefallen; der überwiegende Teil der anwesenden Urlauber schaute mir neugierig, vielleicht auch irritiert ins Gesicht oder der eine oder andere Gast am Tisch, schubste seine Begleitung an, die dann wiederum mir direkt hinterher sah. Dabei hatte ich meinen Sonnenschirm weder aufgespannt, noch in der Hand. Ich hatte lediglich eine Jacke mit Kapuze an und mir diese aufgrund meines Fröstelns auf den Kopf gesetzt und die Bänder eng zugebunden.
Wenn ich nun ein Tuch auf dem Kopf tragen würde, so dass man sieht, ich habe keine Haare mehr, würden die Leute dann eher ihren Grips einschalten und kombinieren: „Oh, sie ist wohl krank, vielleicht hat sie Krebs?“ Aber viele Menschen bemerken nicht einmal, dass sie sich so auffällig peinlich verhalten, dass es für unsichere Betroffene nicht immer schön ist. In diesem Falle hat es mir nichts ausgemacht. Ich stehe darüber. So müssen sich Prominente fühlen, immer dem Getuschel und den neurigen Blicken Fremder ausgesetzt. Nur hatte ich leider keine Autogrammkarten dabei…..
Nun, noch habe ich meine Haare. Falls sie sich aber evtl. doch mal von mir verabschieden, könnte ich heute nicht sagen, wie ich auf derartige Blicke und das peinliche Verhalten meiner Mitmenschen reagieren würde. Würde ich noch darüber lachen können? Haare sind ja auch so eine Art „Schutzschild“. Für mich waren sie immer super wichtig und manchmal auch lästig. Aber keiner weiß im Vorfeld zu sagen, wie er letztendlich reagiert, wenn er reel in der Situation steckt. Darum finde ich ein derartiges auffälliges Hin- und Hinterherschauen als erwachsener Mensch auch nicht unbedingt vorbildlich, eher unreif und peinlich.
Ich kann nur jedem dazu raten auf sich aufzupassen. Ein Patentrezept habe ich leider nicht dafür, denn mir selbst ist es ja so passiert. 49 1/2 Jahre war immer alles gut und plötzlich wacht man auf und man versteht die Welt nicht mehr. Und keiner kann mir sagen, wie es dazu kam…..
Ich war auf jeden Fall super froh, als wir wieder im Auto saßen und uns auf den Heimweg machten. Fieber war auch schon wieder da und bis Abends, endlich wieder Zuhause angekommen, kroch es hoch auf 39,2 °C. Um sich gegen kurz vor Mitternacht auch fast wieder zu verziehen.
Das hängt vermutlich auch mit der Immuntherapie zusammen, bei mir allerdings wohl nur in Verbindung mit Anstrengung und Aufregung.
6. Kapitel – Die Therapie geht weiter und beginnt überraschend völlig anders