10. Kapitel – Termin in der Ambulanz und menschliche Weisheiten

Mein verbessertes Wohlgefühl kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich haben sich die Blutwerte (zumindest einige) verbessert und mein HB-Wert ist sogar um 1,0 Punkte gestiegen. Von ganz allein. Ohne Bluttransfusion. Ok, vielleicht muss ich dazu erwähnen, dass ich jeden Morgen ein kleines Pinnchen (nee, nicht was Ihr jetzt denkt…!!!!) Eisen zu mir nehme. Der Weg ist das Ziel und das ist zwar noch weit, aber nicht unerreichbar. 😉

Alkohol ist für mich tabu, allerdings freiwillig schon seit Anfang des Jahres. Inzwischen habe ich 10 kg abgenommen. Etwas ist dem Tumor geschuldet, aber der Effekt ist bestimmt auch zurückzuführen auf meine augenblicklich doch gesündere Ernährung. In Verbindung mit einem Wein oder Bier nasche ich nämlich all das, was ich in den Schränken finde und eben auch das, wovon ich sonst die Finger lassen würde. Da kommen schon so einige zusätzliche unerwünschte Kalorien zusammen. Verlangen nach alkoholischen Getränken habe ich überhaupt nicht. Krebs kann auch positive Wirkungen zeigen. Zumindest wenn man es von dieser Seite aus betrachtet.

Der kleine blaue Ordnungshüter kann unter Umständen aber auch die Leberwerte negativ verändern, aus diesem Grunde und weil Tabletten und Alkohol einfach nicht zusammen passen, ist es daher auch klug, auf Promille zu verzichten. Ich will hoffen, dass ich diese mögliche Nebenwirkung Leber(versagen) nie erfahren werde. Doch wird mich dieser oder ein möglicher anderer Ordnungshüter mein Leben lang begleiten. Das heißt, ich werde nie als geheilt entlassen werden. Der Tumor ist ein genetisch mutierender, der auch gegen diesen kleinen Blauen irgendwann resistent werden kann. Ich muss also lernen, mit dieser Krankheit, den Tabletten und Kontrolluntersuchungen zu leben.

Im Augenblick bin ich bestens bedient mit einer Thrombosespritze am Morgen und einer am Abend, vor dem Frühstück eine schonende Magentablette und am Mittag einen Blutverdünner (ASS). (Thrombosegefahr und Blutgerinsel vor Leber). Nun kommen noch Salbe und Lotion gegen die Akne hinzu, mal sehen, ob das wirkt. Ich hätte natürlich auch ein Antibiotikum dagegen erhalten können. Doch ich probiere es erst einmal gerne mit Salbe & Co. Alle drei Monate soll ein CT gemacht werden, bedeutet auch wieder Kontrastmittel trinken (mmmmhh läkka und so gesund….).

Wie gesagt, schlimmer geht immer – also akzeptieren – und wenn ich ehrlich bin, ist das tausendmal besser als eine Chemo oder Immuntherapie über einen Port zu empfangen und dabei Stunden über Stunden in der Ambulanz zu verbringen.

Nun wird sich zeigen, wie ich das alles auf Dauer vertrage, welche (hoffentlich positiven) Veränderungen (auf dem CT) es geben wird usw. – ich lasse mich da auch nicht verrückt machen. Möchte nichts hören von Erwartung und Statistik. Wozu? Ein gesunder Mensch hat auch eine bestimmte Erwartung, aber ob die auch erfüllt wird, wird ihm keine Statistik je definitiv sagen können. Jedes Leben schreibt seine eigene Geschichte. Jeder Mensch ist anders und geht vielleicht auch anders damit um, jede Krankheit (und das gilt auch für den Sammelbegriff „Krebs“) ist anders.

Heute war ich viel zu Fuß unterwegs – allein – für mich der kleine Schritt in die große Freiheit. Es klappt immer besser, ich schaffe immer mehr Schritte bzw. Entfernung. Zu Fuß fühle ich mich wieder sicherer, step by step. Jetzt muss ich mich nur noch ans Autofahren wagen. Wahrscheinlich verunsichere ich mich selbst viel zu viel. Eben weil ich ja durch die Schwäche auch immer unsicherer wurde. Das prägt sich ein.

Unterwegs kam ich an einem Reklameschild vorbei – komisch, dass mir sowas jetzt extrem auffällt – sonst bin ich doch meist achtlos daran vorbei gegangen. Auf dem Werbeplakat stand:

lächerlich, dachte ich…..>Nichtrauchen kann nämlich ebenso tödlich sein<…..

Es ist die Ironie des Schicksals, dass mir jetzt immer mehr rauchende Menschen in meinem Umfeld auffallen und ich dann denke: Warum habe ich als Nichtraucher eigentlich deren Krebs? Vielleicht hätte ich mir doch mal ab und an eine anstecken sollen, um dagegen immun zu werden? Wäre ich dann drum herum gekommen? Quatsch, alles Quatsch! Aber diese Tatsache entzieht sich mir jeglicher Logik. Das Leben ist nicht fair….

Auf dem Heimweg kam mir ein besonders schlauer oder möchte-gern-witziger Oppi auf seinem Fahrrad entgegen. Die Sonne schien herrlich und ich ging auf dem Bürgersteig mit offenem Schirm des Weges. Klar, woher soll er es auch wissen. Vielleicht wollte er auch nur besonders lustig sein mit seiner irrwitzigen Randbemerkung:

„Dat regnet doch gar nich“ (haha)

Auch ich muss nicht ständig alles kommentieren und habe seinen „Gag“ daher einfach ignoriert und ihm gewünscht, dass er niemals in eine solche Situation kommen mag.

Insgeheim dachte ich, würde er sich vor der Sonne schützen, hätte er nicht so verdörrt dahergequasselt.

Kuriose Welt! 🥳

11. Kapitel – step by step zurück in die Selbstständigkeit