6. Kapitel – Die Therapie geht weiter und beginnt völlig überraschend anders…

Auch die schönste „Freiheit“ Zuhause geht einmal zuende. Je näher der 13.06.2019 rückte, der Termin, an dem die Therapie nun weitergehen sollte; der Donnerstag, an dem keiner von uns wußte, was auf mich / uns zukommen wird, umso nervöser wurde ich.

Wir sollten bereits um 8 Uhr in der Uniklinik sein, dann könne man schon einmal mit den Laboruntersuchungen beginnen.

Für die Fahrt bis nach Essen, Berufsverkehr und Parkplatzsuche mit eingerechnet, benötigen wir gut 1 1/2 Std. Fahrzeit.

Aufgrund der angespannten Ungewissheit konnte ich natürlich auch in der Nacht kein Auge zutun…. Wen verwundert das?

In der Ambulanz des Tumorzentrums angekommen, durften wir erst einmal warten, bis ich zur Blutentnahme aufgerufen wurde.

Im Labor versuchte mir die nette, junge Schwester die gewünschte rote Flüssigkeit abzuzapfen, aber wie immer, waren diese Wege mühsam und für mich schmerzhaft, denn meine Venen zeigen sich nicht gern und es ist schirr Glücksache, die richtige zu finden und dann auch noch unverletzt zu treffen. Daher hatte man mir auch ans Herz gelegt, für die nächste Chemo oder Immuntherapie unbedingt einen Port einsetzen zu lassen.

Soweit mein Stand der Dinge. Als sie endlich nach drei Versuchen, zwei von drei davon natürlich missglückt (wofür sie nichts kann) und einer davon äußerst schmerzhaft, als die Vene platzte….. sehe ich noch heute vor mir und der Fleck wird immer bunter 😉

Bevor sie Versuch 4 starten wollte, bat sie mich, über meine Hände und Unterarme lauwarmes fließendes Wasser laufen zu lassen.

Es dauerte zwar recht lange, aber besonders auf dem Handrücken zeigten sich die tatsächlich Adern, sie boten sich regelrecht an.

Eine andere Schwester übernahm und legte mir den Zugang auf den linken Handrücken, obwohl ich zum wiederholten Mal darauf aufmerksam machte, dass ich noch gar nicht wisse, womit es weiterginge und dass bei folgender Chemo und/oder Immuntherapie wohl doch besser ein Port gelegt werden müsse. Doch beide Schwestern ließen sich nicht erweichen und meinten, darüber müsse ich mit der Ärztin reden. Hätte ich auch gerne gemacht, aber die Abfolge der Ereignisse sah es so nun einmal nicht vor. Und das lag organisatorisch leider nicht in meiner Hand. Im Übrigen, so meinten sie, seien für heute 6 Stunden angesetzt….

Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mir das Mut gemacht hätte….Vorsichtshalber hatte ich sogar die Tasche gepackt, für den Fall der Fälle. …

Aber Gott sei Dank, kam es ganz anders.

Eine knappe Stunde später wurde ich dann von einer äußerst sympathischen jungen Ärztin aufgerufen und zusammen mit meinem Mann ins Besprechungszimmer gebeten.

Sie fragte mich, auf welchem Stand der Dinge ich überhaupt sei. Nun, ich erklärte ihr, was man mir bei der Entlassung Ende Mai gesagt habe und dass man evtl. mit Chemo und/oder Immuntherapie fortfahren werde.

Sie lächelte mich an und schüttelte den Kopf. Man habe in der Zwischenzweit die beiden Probenentnahmen nochmals gründlich untersucht und festgestellt, dass es sich um einen genetisch mutierenden Tumor handelt, der sich ständig verändern und den Gegebenheiten anpassen kann.

Folglich kommt für mich aktuell keine Chemo- oder Immuntherapie (Spezialmedizin) infrage, sondern meine Therapie wird nun mit Tabletten fortgesetzt.

Ich hatte die Wahl, an einer aktuellen Studie mit einer Tablette im ersten halben Jahr und danach mit einer zusätzlichen Tablette unter mehreren verschiedenen Wirkstoffen, teilzunehmen. Im Gegensatz zu meinem sonst stets voreiligen Bauchgefühl, habe ich mir zunächst alle Informationen darüber, die sie mir nannte, angehört und mir Zuhause das dicke Manuskript an Infomaterial Seite für Seite aufmerksam durchgelesen. Auch habe ich noch eine Nacht darüber geschlafen (und diesmal konnte ich wirklich schlafen), um dann zu erkennen, eine Studie ist eine wirklich gute Sache und im Sinne der Forschung in der Medizin nicht wegzudenken. Für mich aber ist dieser Weg nicht mein eigener. Somit habe ich mich für den von ihr vorgeschlagenen „Klassiker“ entschieden. Die Entscheidung fiel per Telefon am Freitag, den 14.06.2019 und demnach machten wir für den kommenden Montag, 17.06. nochmals einen Termin aus zur Besprechung und Verordnung dieses „Klassikers“.

Die liebe, geduldige (das muss man schon mit mir sein können) Ärztin klärte mich auch über die Vielzahl von Nebenwirkungen auf, die auftreten können. Schon heftig und bloß nicht drüber nachdenken, sagte ich zu ihr und zu mir. Und da man das Präparat sowieso in der Apotheke nicht vorrätig habe, empfahl sie mir, damit sofort zu beginnen, sobald es mir zur Verfügung stehe.

So war es auch, die Apotheke musste das -in meiner Vorstellung- „Monsterpräparat“ erst einmal bestellen. Abends wäre es aber da. Doch ich könne damit sinnvollerweise erst am nächsten Morgen – eine Stunde vor dem Frühstück beginnen (nach Einnahme der Tablette darf man mind. 3 Stunden lang nichts essen). Spätestens jetzt erweist sich Google Kalender als höchst brauchbar, denn neben den Thrombosespritzen morgens und abends, darf ich auch (hoffentlich nur vorrübergehend) nun die ASS Tablette (Blutverdünner) -Einnahme vorzugsweise 1 Stunde vor der Hauptmahlzeit- nicht vergessen. ….bei uns schaut es schon aus wie in einer kleinen privaten Apotheke und ich dachte, das hätte noch mindestens 20 bis 25 Jahre Zeit…..

Nun, heute morgen also begann ich mit der Therapie und holte die erste Tablette, die in doppelter eingeschweisster Verpackung steckte, da sie geschützt vor Sonnenlicht (das muss ich als „Vampir“ nach wie vor) und Feuchtigkeit aufbewahrt werden muss, aus der Packung. Ich war überrascht. Die „Monstertablette“ schaut nicht so angsterregend aus wie in meiner Vorstellung. Sie ist sogar sehr hübsch und schaut in dezentem Blauton „gekleidet“ auch noch harmlos aus (bekanntlich sind das die Schlimmsten….Stille Wasser sind tief…., kennt Ihr ja sicher alle)!

Spontan, nachdem ich sie schluckte, nannte ich sie liebevoll „meinen kleinen blauen Ordnungshüter“. Schließlich soll sie in mir jetzt mal so richtig Ordnung schaffen und den „Scheißkerl“, wie meine Freundin Biene den Übeltäter unsanft und korrekt nennt, in seine Schranken verweisen.

Ich hoffe, wir werden uns gut miteinander anfreunden und gemeinsam diesen „Scheißkerl“ bekämpfen…..

7. Kapitel – 7 Tage „Freundschaft“, der kleine blaue Ordnungshüter und ich…

3 Kommentare zu „6. Kapitel – Die Therapie geht weiter und beginnt völlig überraschend anders…

  1. Liebe Ela, ich bin beeindruckt von Deiner Leichtigkeit zu schreiben. Du nimmst uns alle mit in eine Welt, die den meisten von uns unbekannt ist und auch hoffentlich bleibt!! Deine kleinen, niedlichen Ordnungshüter schlagen hoffentlich bald an und zeigen dem Scheißkerl, das er mehr als unerwünscht ist 🙂 In Gedanken bin ich sehr oft bei Dir und umarme dich aus der Ferne. Grüße Michael und es ist toll, das du diesen Mann an deiner Seite hast!!!!

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  2. Hey Michi,
    Jetzt können wir uns hier lesen, dass finde ich toll.
    Ich kann mich den Worten von Astrid Schöne nur anschließen und wünsche mir sehr, dass du diese derzeitige Hitze gut aushalten kannst.
    Heute, hast du bestimmt schon gemerkt 😉, habe ich dich nicht mit zur Gassi Runde genommen. Es war viel zu heiß und die Wege zu sonnig, da hätte sich selbst der Aufwand , die Creme aufzulegen und deinen wunderschönen Schirm aufzuspannen, einfach nicht gerechnet .
    Wie bekommen dir deine blauen Ordnungshüter?
    Einen Drückerlie lass ich dir trotz der Hitze da, dass muss schon sein 😘

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  3. Liebe Michaela, ich hoffe sehr, dass dein „kleiner blauer Ordnungshüter“ dem „Scheißkerl“ den Weg raus zeigt 🍀! Danke, dass du dies alles auf deine Weise mit uns teilst, das beeindruckt mich weiterhin sehr. Und es ruft in mir auch so etwas wie Demut hervor. Es bringt auch mich zum Nachdenken, über wie viele „Kleinigkeiten“ der Mensch tagtäglich jammern kann, welche „Zipperlein“ uns umfänglich beschäftigen können. Aber auch, wie wichtig es andererseits ist, bewusst zu leben und zu genießen. Dabei zu unterscheiden, was ist Lappalie, wann und wie höre ich auf mein Inneres, meinen Körper, wann und wie kümmere ich mich um mich. Fühl dich gedrückt 🤗!

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